Rückblick | 26.04.2023

Wie kann Demokratie alle erreichen?

Das Vertrauen in die Demokratie hängt davon ab, wie wir sie vor Ort erleben. Dieses Vertrauen kann man nicht früh genug aufbauen. In Deutschland jedoch glauben nur 40 Prozent der 15-Jährigen an ihre politische Wirksamkeit.

Eine starke Demokratie funktioniert nicht ohne engagierte Bürgerinnen und Bürger. Für eine krisenfeste Politik muss es Ziel sein, Menschen aus unterschiedlichen Regionen, gesellschaftlichen Milieus und Altersgruppen anzusprechen. Politische Bildung steht deshalb immer vor der Herausforderung, diejenigen zu erreichen, die sich bisher nicht beteiligen.

Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung zielt in ihrem Engagement oft auf schwer erreichbare Milieus. Mit einem Stipendienprogramm fördert die Start-Stiftung seit 20 Jahren Schülerinnen und Schüler mit Einwanderungsgeschichte. Jugend debattiert stärkt gezielt auch die Fähigkeiten von Jugendlichen an nicht-gymnasialen Schulen. Und Jugend entscheidet ermöglicht Demokratieerfahrungen, insbesondere in ländlichen Regionen.  

Welche Erfahrungen machen unterschiedliche Akteure aus Staat, Zivilgesellschaft und Politik dabei, junge Menschen zu erreichen, die sich nicht aktiv am Diskurs beteiligen? Was hat sich in der Praxis bewährt, welche Erfolgsgeschichten und Hindernisse gibt es? In der Digitalen Praxis-Session beschäftigt sich das Team von Jugend entscheidet mit einer der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen: Demokratie für alle ermöglichen. 

Dazu haben Sie und unsere Gäste Prof. Sabine Achour der Freien Universität Berlin, Max Hilse von LÖBAULEBT e.V., der Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung Thomas Krüger und der Co-Geschäftsführer von JoinPolitics Joseph Langner uns wertvolle Einblicke geschenkt und diskutiert, wie mehr Menschen durch Beteiligungsangebote erreicht werden können.

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Die Kernergebnisse unserer Veranstaltung haben wir hier zusammengefasst:

Ausgehend von der Frage „Wie kann Demokratie alle erreichen?“ wird das Problem, mit dem wir uns am 30. März befasst haben, bereits deutlich. Wahlen, Jugendparlamente und andere Formen von Beteiligung haben gemeinsam, dass sie nicht alle Bürgerinnen und Bürger erreichen. Tatsächlich ist es so, dass manche Gruppen – insbesondere auch junge Menschen – weniger an demokratischen Prozessen teilnehmen als andere. Auf die große Repräsentationslücke, die durch die geringe politische Beteiligung vieler junger Menschen entsteht, wies Thomas Krüger hin. Warum das ein Problem für unsere Gesellschaft ist, erklärte er uns ebenfalls. Denn Gruppen, die von der Demokratie enttäuscht sind, bieten ein substanzielles Rekrutierungspotential für demokratiefeindliche Angebote.

Es bleibt nicht aus, dass Erwachsene durch das Verhalten von jungen Menschen irritiert sind. Prof. Achour erklärte, dass Partizipationsversuche häufig nicht als solche erkannt werden. In anderer Form oder in anderer Sprache ausgedrückt als erwartet, werden sie eher als störend empfunden.

Dass Demokratie viele Formen annehmen kann, hat Max Hilse mit seinem Praxis-Beispiel LÖBAU LEBT e.V. gezeigt. Dort wird mit Werkzeugen wie Kunst und Virtual-Reality die Fähigkeit zur Partizipation gestärkt. Gerade die Kombination ungewöhnlicher Wege hält er für einen Schlüssel zum Erfolg beim Erschließen neuer Zielgruppen.

Joseph Langner schließlich betonte, dass er eine sehr politische junge Generation erlebt. Als Scout für demokratische Talente ist sein Trick, über die Themen zu gehen. Denn die starke politische Energie, die in jemandem steckt, zeige sich oft erst, wenn man die Herzensangelegenheit einer Person anspricht.  

Wir haben alle unsere Referentinnen und Referenten nach ihren Praxis-Tipps gefragt:

  1. Keine schweren Begriffe: Vermeiden Sie schwere Begriffe wie Jugendbeteiligung, Demokratie und politische Bildung. Gerade in der Werbung für eine Veranstaltung können solche Vokabeln eher abschreckend wirken.
  2. Diverse Formate: Nutzen Sie unterschiedliche Formate, um verschiedene Gruppen anzusprechen. Social Media kann ein hilfreiches Tool sein, um politische Teilhabe aus den üblichen Bildungsräumen herauszuholen. Neue Formate zu etablieren, braucht Zeit.
  3. Glaubwürdige Menschen: Treten Sie weniger als Institution auf als vielmehr mithilfe von motivierenden und inspirierenden Einzelpersonen, die eine starke Glaubwürdigkeit mit sich bringen. Bildungsarbeit ist Beziehungsarbeit.
  4. Konkrete Projekte: Setzen Sie weniger bei großen ideologischen Themen an, sondern bei konkreten Projekten, die auch gern lokalpolitisch sein können. 
  5. Arbeit vor Ort: Veranstalten Sie Workshops an partizipationsfernen Orten und planen Sie Gestaltungsräume für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein. 
  6. Partizipation muss sich lohnen: Machen Sie die Ergebnisse der Partizipation sichtbar, sodass sich die Teilnahme für alle gelohnt hat. 
  7. Etablierte Orte: Gehen Sie in bereits etablierte Orte wie Vereine oder Jugendclubs.  
  8. Unterhaltung nutzen: Vernetzen Sie Beteiligungsformate mit anderen Veranstaltungen, die für viele junge Menschen attraktiv sind. 

Autor: Julius Oblong